Von Palästina bis San Antonio, von Melilla bis zur polnischen Grenze – gemeinsam für eine Welt ohne Mauern
URGENT LETTER Nº 3
Das ist die Hölle. Es brennt.”
Ghassan Khanafani, “Men in the Sun”
Wir veröffentlichen diesen Brief am 8. und 9. Juli, zwei wichtigen Daten im palästinensischen Kampf. Am 8. Juli gedenken wir des 50. Jahrestages der Ermordung des palästinensischen Dichters Ghassan Khanafani, der den Widerstand und die Not der Flüchtlinge aufzeichnete. Am 9. Juli jährt sich zum 18. Mal das Urteil des Internationalen Gerichtshofs zur israelischen Apartheidmauer.
Doch in diesem Brief geht es nicht um Erinnerung, sondern um den unmittelbaren Handlungsbedarf.
Die letzten Wochen haben mit erschreckender Grausamkeit ans Licht gebracht, inwieweit entsetzliche Verbrechen und menschliche Tragödien ein wesentlicher Bestandteil der Mauern sind, die mächtige Staaten und ihre Eliten errichten, um ihre Grenzen zu befestigen und ihre Vormachtstellung und Privilegien zu bewahren.
Es ist dringender denn je, dass wir unsere kollektive Kraft nutzen, um diese Mauern niederzureißen, von Palästina bis zu den europäischen Grenzen, den USA und darüber hinaus.
Eine Welt von Mauern
In San Antonio wurden 53 Menschen in einem Lastwagen getötet, als sie versuchten, in die USA einzureisen. Dies ist bereits der dritte dieser schrecklichen Morde allein in Texas in den letzten 5 Jahren. Es gibt keine Mauer in San Antonio, aber es gibt eine Mauer und eine Einreiseverbotspolitik mit illegalen Pushbacks entlang der Grenze zwischen den USA und Mexiko. Donald Trump erhob Israels Apartheidsmauer zum Vorbild für seine eigene Politik und erklärte, dass „Mauern funktionieren“. Sie tun es, wenn das Ziel darin besteht, Menschen zu töten und sie einer rassistischen und ausgrenzenden Politik zu unterwerfen.
Für Palästinenser*innen ist die Nachricht von den Toten in San Antonio eine deutliche Erinnerung an ihre eigene Realität, die in Ghasan Khanafanis berühmtem Roman „Männer in der Sonne“ beschrieben wird. Palästinensische Flüchtlinge, vertrieben, verzweifelt und gleichzeitig entschlossen, sich ein besseres Leben aufzubauen, sterben in einem Lastwagen, als sie versuchen, sich vom Irak nach Kuweit schmuggeln zu lassen. Der Fahrer beschwert sich später: „Warum habt ihr nicht an die Seiten des Panzers geklopft? Warum??“
Es ist die Geschichte und Realität derjenigen, die entschlossen sind, alles, was ihnen bleibt, für eine bessere Zukunft zu riskieren. Überall auf der Welt pochen Menschen gegen die Mauern, die sie gefangen halten, die sie ausgrenzen, unterdrücken und ausgrenzen. Es ist die Geschichte und Realität eines Systems der Unterdrückung, das ihre Stimmen erstickt und die Unterdrückte die Schuld zuweist und sie kriminalisiert.
Nur drei Tage zuvor wurden 51 Migrant*innen und Geflüchtete an der Mauer, die die von Spanien kontrollierte Kolonialenklave Melilla abgrenzt, von marokkanischen Polizei- und Militärkräften brutal ermordet, während die spanische Polizei das Verbrechen von der anderen Seite aus mit Tränengas unterstützte. Die Toten gehörten zu den vielen anderen, die sich organisiert hatten, um gemeinsam die koloniale Mauer von Melilla zu erklimmen, um von ihrem Recht auf Asyl Gebrauch zu machen. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez bezeichnete den Massenansturm als „gewaltsamen Übergriff“ und „Angriff auf die territoriale Integrität Spaniens“. Die marokkanischen Streitkräfte ihrerseits beeilten sich, ihr Verbrechen zu vertuschen, indem sie die Toten in Massengräbern verscharrten, die sie zu verstecken versuchten.
Der für die Polizei zuständige marokkanische Innenminister und sein israelischer Amtskollege hatten sich erst wenige Tage zuvor getroffen. Die um sich greifende Normalisierung bringt Regime zusammen, die eine gemeinsame Politik der Mauern und Menschenrechtsverletzungen verfolgen, und jede weitere Verbindung mit der israelischen Apartheid wird nur noch mehr Expertise in Sachen Unterdrückung nach Marokko exportieren.
Als Palästinenser*innen sich 2018 zum „Großen Marsch der Rückkehr“ versammelten, um friedlich gegen die 1995 errichtete israelische Apartheidmauer um den Gazastreifen und gegen die seit 15 Jahren andauernde brutale Belagerung des besetzten Küstenstreifens zu protestieren, schossen israelischen Streitkräfte willkürlich um sich. 189 Palästinenser*innen wurden getötet, Hunderte verstümmelt und über 8000 verletzt.
Viele müssen ihre Heimat verlassen und fliehen, Palästinenser*innen kämpfen für ihre Rückkehr in ihre Heimat. Die Brutalität von Vorherrschaft, Kolonialismus, Rassismus und Apartheid bringt alle gleichermaßen um.
Polen hat am 30. Juni die Fertigstellung einer 5,5 Meter hohen und 186 km langen Mauer entlang seiner Grenze zu Weißrussland bekanntgegeben. Das 407-Millionen-Dollar-Projekt militarisiert und versiegelt die Grenze, an der Migrant*innen erniedrigt, kriminalisiert und willkürlich festgehalten werden. Diese Mauer steht symbolisch für die rassistische Migrationspolitik Europas: Während (weiße) Geflüchtete aus der Ukraine willkommen geheißen und unterstützt werden, wie es sich gehört, werden nicht-weiße Geflüchtete, die versuchen, die polnische Grenze zu überqueren, mit einer Mauer, Gewalt und Pushbacks empfangen.
Im Juni dieses Jahres ist es 20 Jahre her, dass Israel mit dem Bau seiner Apartheidsmauer im Westjordanland begonnen hat. 20 Jahre später befestigt Israel seine Apartheid-Mauer als Teil seiner eskalierenden Praktiken der ethnischen Säuberung, des Landraubs und der Gewalt. Palästinensische Arbeiter, die gezwungen sind, sich durch offene Teile der Apartheidmauer zu schleichen, um zur Arbeit zu gelangen, tragen die Hauptlast ihrer Befestigung. Am 5. Juli wurde Ahmad Harb Ayyad, ein palästinensischer Arbeiter, von israelischen Soldat*innen zu Tode geprügelt, als er versuchte, seinem Arbeitsplatz in der Nähe der Mauer in Tulkarm zu erreichen
Für eine Welt ohne Mauern
Am 9. Juli ist es 18 Jahre her, dass der Internationale Gerichtshof die Mauer für illegal erklärte und die Regierungen in aller Welt und die Vereinten Nationen aufforderte, das Klopfen an der Mauer zu hören, ihre Hilfe und Unterstützung für Israels Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustellen und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um Israel zu stoppen. Nicht nur die israelische Apartheid baut weiterhin Mauern – die israelische Ideologie, Methodik und Technologie der Mauern ist globalisiert worden. Heute wachsen Mauern und töten immer mehr Menschen auf der ganzen Welt, während israelische sowie Militär-, Sicherheits- und andere Unternehmen von den enormen Budgets profitieren, die die Staaten für diese Monumente der Ungerechtigkeit und Ausgrenzung bereitstellen.
Am 8. Juli 2022 ist es 50 Jahre her, dass der israelische Geheimdienst Ghassan Khanafani ermordete, um eine der mächtigsten Stimmen Palästinas zum Schweigen zu bringen. Auch heute noch sterben Geflüchtete und Migrant*innen in der Hitze der Lastwagen, in denen sie über Grenzen geschmuggelt werden.
Es ist dringend notwendig, dass wir uns zusammenschließen, den Forderungen der Unterdrückten und „der Anderen“ Gehör schenken, uns organisieren, unsere Stimme erheben und unsere Anstrengungen verdoppeln, um die immer tödlicheren Unterdrückungssysteme zu überwinden.
Gemeinsam können wir es schaffen!
In den letzten 50 Jahren haben wir die Apartheid in Südafrika überwunden, lateinamerikanische Diktaturen wurden gestürzt und indigene Persönlichkeiten haben Präsidentschaftswahlen gewonnen. Eine zweite Welle fortschrittlicher Regierungen kommt auf dem Subkontinent an die Macht, von wo aus Menschen gezwungen sind, in die USA zu gehen. Bewegungen von Schwarzen und People of Color konnten die Debatte über strukturellen Rassismus in den Mainstream tragen. Der am ersten Jahrestag des Urteils des Internationalen Gerichtshofs vom 9. Juli 2005 herausgegebene Aufruf zu Boykott, Desinvestition und Sanktionen hat die von Palästinenser*innen geführte Anti-Apartheid-Bewegung wirksam ins Leben gerufen.
Heute ist es entscheidend, dass wir gemeinsam für eine Welt ohne Mauern eintreten:
- Für ein Ende der rassistischen Anti-Migrationspolitik und der Militarisierung der Grenzen, die Migrant*innen kriminalisieren und töten;
- Für ein Ende aller Militär- und Sicherheitsbeziehungen mit Israel und seinen Konzernen, die ihre Waffen und Methoden an Palästinenser*innen testen und sie dann als kampferprobt in die ganze Welt exportieren;
- Für ein Ende der Systeme des strukturellen Rassismus und der Vorherrschaft, einschließlich Israels Version des Siedlerkolonialismus des 21. Jahrhunderts, der auf einem schändlichen Apartheidsystem basiert und für eine UN-Untersuchung der israelischen Apartheid und die Re-Aktivierung der UN-Mechanismen zur Bekämpfung von Apartheid;
- Für eine wahrhaft demokratische, gerechte und ökologische Welt!
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Erstunterzeichnet von:
Organisation | Land |
Anarchist Anti-deportation Group Utrecht (AAGU) |
Niederlande |
Arab Resource & Organizing Center (AROC) |
USA |
Associaçāo de Amizade e Solidariedade com a Palestina |
Mosambik |
Association Marocaine des Droits Humains (The Moroccan Association of Human Rights) |
Marokko |
Associazione Cultura e Libertá |
Italien |
Associazione di Amicizia italo palestinese |
Italien |
AssoPacePalestina |
Italien |
AURDIP (Association des Universitaires pour le Respect du Droit International en Palestine) |
Frankreich |
Bay Area World Without Walls Coalition |
USA |
BDS France |
Frankreich |
BDS Berlin |
Deutschland |
BDS México |
Mexiko |
Belgian Campaign for Academic and Cultural Boycott of Israel (BACBI) |
Belgien |
Centre des Droits Humains pour la Mémoire et l’Archive (Moroccan Center for the Memory and the Archive) |
Marokko |
Coalition Marocaine des Instances de Droits Humains (The Moroccan Coalition of Human Rights Instances) |
Marokko |
Corrientes Independientes |
Chile |
docP – BDS Netherlands |
Niederlande |
European Coordination of Committees and Associations for Palestine (ECCP) |
Europe |
Forum Vérité et Justice (The Truth and Justice Forum) |
Marokko |
Grupo Ibriq |
Italien |
Instance Marocaine des Droits Humains (The Moroccan Instance for Human Rights) |
Marokko |
Ipri-ccp |
Italien |
Jewish Voice for Peace – Bay Area |
USA |
Kenians4Palestine |
Kenia |
Le Kiosk |
Frankreich |
Legal Centre Lesvos |
Griechenland |
Media Review Network |
Südafrika |
Medicina Democratica ONLUS |
Italien |
Melitea |
Italien |
Moroccan Front for Palestine Support and against Normalization |
Marokko |
Nederlands Palestina Komittee |
Niederlande |
New weapons research group (NWRG) |
Italien |
Nigeria Friends of Palestine |
Nigeria |
ODV Salaam Ragazzi dell’Olivo Comitato di Trieste |
Italien |
Palestina Solidariteit |
Belgien |
Palestinalibre.org |
Chile |
Palestine Solidarity Alliance |
Südafrika |
Palestine Solidarity Campaign |
Südafrika |
Pan-Afrikan Palestine Solidarity Network (PAPSN) |
Afrika |
Philippine Foundation for Science and Technology |
Philippinen |
الشبكة الديمقراطية المغربية للتضامن مع الشعوب. Réseau démocratique marocains de solidarité avec les peuples |
Marokko |
Rete Romana di Solidarietà con il Popolo Palestinese |
Italien |
Shoulder to Shoulder with Palestine |
Simbabwe |
South African BDS Coalition |
Südafrika |
Stop the Wall Campaign |
Palästina |
Stop the War on Migrants |
Niederlande |
Stop Wapenhandel |
Niederlande |
Tadamun Antimili |
Kolumbien |
Transparency Maroc (Association Marocaine de Lutte Contre la Corruption) |
Marokko |
Union Juive Française pour la Paix |
Frankreich |
University of KwaZulu-Natal Decoloniality Action Group |
Südafrika |
Wilpf Italia |
Italien |
Woman Health Philippinen |
Philippinen |
Women in Black Vienna |
Österreich |
From Palestine to San Antonio, from Melilla to the Polish border – united for a World without Walls
Übersetzung Redaktion BDS-Kampagne.de