Offene Briefe

OFFENER BRIEF an das Deutsche Theater Berlin

Berlin, 27. Februar 2012

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir schreiben Ihnen diesen Brief, um Sie zu bitten, Ihre Aufführung der „DIEBE“ mit dem Cameri Theater in Tel Aviv am 17. und 18. März 2012 abzusagen.

Seit Jahrzehnten verletzt Israel systematisch die Menschenrechte der Palästinenser_innen. Israel hält die Palästinenser_innen in der Westbank unter israelischem Militärrechtrecht ohne jegliche zivilen Rechte, Israel hält die illegale Belagerung von Gaza aufrecht, leugnet das durch die Vereinten Nationen sanktionierte Rückkehrrecht und die Entschädigung der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 und verabschiedete bereits Dutzende diskriminierende Apartheid-Gesetze innerhalb Israels.1

Solche Verstöße, die von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Oxfam dokumentiert sind,2 wurden längst von den Vereinten Nationen als rechtswidrig anerkannt.

Das Cameri Theater präsentiert sich als Teil dieser Politik. Durch seine Teilnahme an der Eröffnung des Kulturzentrums in der völkerrechtswidrigen israelischen Siedlung Ariel3 in den besetzten palästinensischen Gebieten im November 2010 hat das Theater mit seinem dortigen Auftritt die israelische Besetzung palästinensischen Bodens zementiert. Das Cameri Theater degradiert sich damit zum Handlanger israelischer Politik.4

Mit Ihrer Teilnahme an dem gemeinsamen Projekt „DIEBE“ mit dem Cameri Theater werden auch Sie Teil der Unterstützung israelischer Politik des andauernden Prozesses der Kolonialisierung und Umweltzerstörung von palästinensischem Land, des Wasserraubs, der Ausbeutung von Ressourcen.5

Dies ist das Signal, dass Sie sowohl gegenüber der palästinensischen, israelischen als auch gegenüber der internationalen Öffentlichkeit aussenden.

Die Völkerrechtswidrigkeit der israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten ist übrigens selbst in der Bundesregierung und im Auswärtigen Amt unbestritten. In der Regierungspressekonferenz vom 2. November 2011 heißt es ‘ … Wir halten das tatsächlich für eine besorgniserregende Entwicklung. Die Haltung der Bundesregierung zur Frage israelischer Siedlungsaktivitäten ist eindeutig: Siedlungsaktivitäten in den besetzten Gebieten sind völkerrechtswidrig … ‘6

Ähnlich äußert sich das Außenministerium auf seiner offiziellen Webseite: ‘ … In Bezug auf Eigentumserwerb oder Investitionen in den Siedlungen wird darauf hingewiesen, dass die Siedlungen nach Auffassung der Bundesregierung gegen das Völkerrecht verstoßen … ‘7

Position bezogen haben nunmehr auch zahlreiche israelische Künstler_innen und Intellektuelle, die sich öffentlich dagegen verwahrten im illegalen Ariel aufzutreten.8 Sie wurden dabei weltweit von über 150 Künstler_innen und Intellektuellen unterstützt.9

Diese internationalen und israelischen Künstler_innen reagierten damit auf die Palästinensische Kampagne für den akademischen und kulturellen Boykott Israels (PACBI).

Seit April 2004 ruft die Palästinensische Kampagne für den akademischen und kulturellen Boykott Israels (PACBI) die Intellektuellen und Akademiker_innen in der ganzen Welt auf, alle israelischen akademischen und kulturellen Institutionen, die mit dem staatlichen Unrechtssystem kooperieren und sich seine politischen Ziele zu eigen gemacht haben, umfassend und konsequent so lange zu boykottieren, bis die israelischen Besatzung, die Kolonisierung und das Apartheidsystem beendet werden.10

Damit können auch Sie einen ganz konkreten Beitrag zur Beendigung des Konfliktes leisten.

Im Jahre 2006 appellierte eine klare Mehrheit der palästinensischen Kulturschaffenden, unterstützt von Hunderten internationalen Kulturschaffenden, an alle Künstler_innen und Filmemacher_innen mit Verantwortungsbewusstsein, sich dem institutionellen kulturellen Boykott gegen Israel anzuschliessen, um gegen die andauernde Verletzung des Völkerrechts durch israelische Regierungen zu protestieren.11

Als Antwort veröffentlichte der bekannte britische Künstler und Schriftsteller John Berger eine Stellungnahme, die von einer Vielzahl internationaler Künstler_innen, Schriftsteller_innen und Filmemacher_innen unterstützt wurde und alle Kolleg_innen weltweit aufruft, sich dem palästinensischen Aufruf zum kulturellen Boykott anzuschliessen.12

Schließen Sie sich diesem Aufruf an! Verweigern Sie sich mit Ihrer Theaterkunst der israelischen Politik der Entrechtung der Palästinenser_innen, verweigern Sie sich auch den Unterstützer_innen dieser Politik.

Wir bitten um Ihre geschätzte Antwort.

Kontakt: bdsmovement-Berlin@web.de

Mit freundlichen Grüßen

BDS Gruppe Berlin, www.bds-kampagne.de
Berlin Academic Boycott (bab), berlinacademicboycott.wordpress.com/

Berliner Bündnis für Gaza
Deutsch-Palästinensischer Frauenverein e.V., www.dpfv.org/
Frauen in Schwarz (Wien), www.fraueninschwarz.at
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V. (EJJP-Germany) www.juedische-stimme.de
Kritische Jüdische Stimme (Österreich), www.nahostfriede.at
Kritische Juden und Israelis
Nahostkomitee in der Berliner FRIKO
Palästinakomitee Stuttgart

Paula Abrams-Hourani, Gründerin Frauen in Schwarz, Wien
Agnes Bennhold, Heidelberg, Mitglied im Heidelberger Friedensratschlag
Kelvin Bland RIBA, APJP (BDS in England)
Ruth Edmonds MSc, Israeli citizen
Eran Efrati, Israeli citizen
Sylvia Finzi
Ruth Fruchtman
Iris Hefets, Israeli citizen
Gerhilde Merz, Kommission Israel-Palästina in Pax Christi Österreich
Ofer Neiman, Israeli citizen,Jerusalem
Prof. Dorothee Roer, Palästina Forum Nahost Frankfurt/M.
Dr. Ingo Roer , Palästina Forum Nahost Frankfurt/M.
Yonatan Shapira, Israeli citizen
Marlene Stripecke
Maya Wind, Israeli citizen
Attia Rajab
Verena Rajab

1 http://www.adalah.org/eng/backgroundlegalsystem.php
2 http://www.amnesty.org/en/news-and-updates/ngos-gaza-civilians-continue-suffer-2010-11-30
3 http://www.icj-cij.org/docket/files/131/1677.pdf
4 http://www.faz.net/frankfurter-allgemeine-zeitung/feuilleton/kein-theater-fuer-die-siedler-11042960.html und http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/intellektuellen-protest-in-israel-boykottaufruf-fuer-kulturhaus-in-besetztem-gebiet-11068566.html
5 http://www.ndr.de/unternehmen/presse/pressemitteilungen/pressemeldungndr6609.html
6 http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2011/11/2011-11-02-regpk-breg.html;jsessionid=39FD67D9CF167CD43E80C9B2A519A58E.s3t1
7 http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Israel/Wirtschaft.html
8 http://www.haaretz.com/print-edition/news/150-academics-artists-back-actors-boycott-of-settlement-arts-center-1.311149
9 http://jewishvoiceforpeace.org/campaigns/making-history-support-israeli-artists-who-say-no-normalizing-settlements-4 und http://www.guardian.co.uk/world/2010/aug/29/actors-boycott-west-bank-theatre
10 http://www.pacbi.org/etemplate.php?id=869
11 http://www.pacbi.org/etemplate.php?id=315
12 http://www.pacbi.org/etemplate.php?id=415