Facebook, we need to talkOffene Briefe

Facebook, wir müssen reden – offener Brief an Sheryl Sandberg

26. Mai 2021 – Offener Brief der Bewegung an Facebook

Liebe Sheryl Sandberg,

wir schreiben Ihnen als zivilgesellschaftliche Organisationen in den USA, Palästina und darüber hinaus, wütend und beunruhigt über die jüngste Zensur von palästinensischen Nutzer*innen und ihren Unterstützer*innen auf Ihren Plattformen. Wir sind auch entsetzt über den hohen Anteil an hetzerischen Inhalten, die auf Facebook-Plattformen gegen Palästinenser gerichtet sind. Momentan sind soziale Netzwerkplattformen wie Facebook und Instagram für palästinensische Demonstrant*innen und Anwohner*innen oft die einzigen Instrumente um Informationen auszutauschen und um sich angesichts der Repression durch die israelische Regierung und Polizei und bei Angriffen auf Zivilist*innen gegenseitig zu schützen. Diese Plattformen spielen eine Schlüsselrolle für palästinensische Nutzer*innen und ihre Verbündeten, um über Menschenrechtsverletzungen durch die israelische Regierung zu informieren und Bilder, Videos und Berichte über die Tötungen und gewaltsamen Enteignungen durch die israelische Regierung und israelische zionistische Siedler*innen zu teilen. Diese eklatante Zensur von palästinensischen politischen Inhalten bringt diese Aktivist*innen in noch größere in Gefahr.

Während palästinensische Bewohner*innen ihre Häuser in Jerusalem gegen die Zwangsenteignung durch die israelische Regierung und staatlich anerkannte zionistische Siedler*innengruppen verteidigen, haben ihre Aufrufe um Unterstützung breite internationale Aufmerksamkeit erhalten – was zu Kampagnen in den sozialen Medien und massiven Protesten auf der ganzen Welt führte. Diese internationale Empörung wuchs erst, nachdem das israelische Militär Ramadan-Gläubige in der al-Aqsa-Moschee angegriffen und begonnen hatte, palästinensische Zivilist*innen im Gazastreifen brutal zu bombardieren – ein anhaltender Angriff, bei dem mehr als 200 Menschen getötet wurden, darunter mindestens 60 Kinder. Und die internationale Gemeinschaft mobilisierte weiter, als die israelische Polizei unmittelbar nach einem Waffenstillstand Blendgranaten auf palästinensische Gläubige im al-Aqsa-Komplex abfeuerte und eine Kampagne von Massenverhaftungen von palästinensischen Bürger*innen Israels startete, die zu Verhaftungen von mehr als 1.500 Demonstrant*innen führte

Die Entscheidung der Facebook-Führungskräfte zu diesem Zeitpunkt direkt mit dem israelischen Verteidigungs- und Justizminister Gantz bei der Moderation von Inhalten ohne angemessene staatliche Beteiligung zusammenzuarbeiten, bis die Zivilgesellschaft darauf drängt, ist mehr als empörend.  Es mag sein, dass Facebook im Rahmen seiner Arbeit zu verschiedenen inhaltlichen und politischen Fragen Regierungen konsultieren muss, sich jedoch öffentlich mit der israelischen Regierung – die von den Vereinten Nationen und mehreren Menschenrechtsorganisationen als Apartheidstaat bezeichnet wird – während eines militärischen Angriffs auf palästinensische Zivilist*innen im Gazastreifen, Angriffen auf palästinensische Bürger*innen in Israel und der gewaltsamen Vertreibung von Palästinenser*innen aus Ost-Jerusalem abzustimmen,  geht zu weit.

Darüber hinaus geben die zahlreichen Berichte, die in den letzten zwei Wochen bei mehreren unserer Organisationen über die Löschung oder Sperrung politischer Äußerungen eingegangen sind, zusätzlich zu dem in der letzten Woche von 7amleh veröffentlichten Bericht, der 429 von Instagram und Facebook gemeldete Vorfälle enthält, Anlass zur Sorge über die Beziehung zwischen Facebook und der extra-legalen Cyber-Einheit des israelischen Justizministeriums. Die Tatsache, dass seit dem 6. Mai in großem Umfang Inhalte von Palästinenser*innen oder ihren Unterstützer*innen entfernt wurden (einschließlich der Entfernung von Inhalten und der Deaktivierung von Konten oder Seiten aufgrund von Verstößen gegen die Gemeinschaftsstandards sowie der massenhaften Entfernung von Instagram-Stories), die nach Überprüfung mangels eines Verstoßes wiederhergestellt wurden, legt die Vermutung nahe, dass Facebook möglicherweise freiwillig die von der israelischen Cyber-Einheit empfohlenen Takedowns akzeptiert. Diese unklare Beziehung zwischen Facebook und der israelischen Cyber-Einheit ist besorgniserregend, da sie keinem formellen staatlichen oder rechtlichen Verfahren unterliegt.

Derlei Hinweise auf eine privilegierte Beziehung zwischen Facebook und der israelischen Regierung widersprechen den Zusicherungen, die Facebook Vertreter*innen für Community-Engagement und Inhaltsrichtlinien wiederholt gegenüber denjenigen von uns gemacht haben, die sich in gutem Glauben als Interessenvertrete*innen an Facebooks Inhaltsrichtlinienprozess beteiligt haben, insbesondere in den letzten sechs Monaten um Facebooks mögliche Neuinterpretation von „zionistisch“. Als wir unsere Besorgnis darüber äußerten, dass die aktuellen oder zukünftigen Richtlinien (wie z.B. die Unterdrückung von Kritik an „Zionist*innen“ oder „zionistischen“ Institutionen) Palästinenser*innen und diejenigen von uns, die sich organisieren, um die israelische Regierung zur Verantwortung zu ziehen, zum Schweigen bringen würden, wurde uns oft versichert, dass Facebook keine privilegierte Beziehung zur israelischen Regierung habe, unsere Bedenken unbegründet seien. Angesichts der Entscheidung von Facebook, mit dem israelischen Verteidigungs- und Justizministerium zusammenzuarbeiten, der möglichen Beziehung von Facebook zur israelischen Cyber-Einheit und der jüngsten Untersuchung von The Intercept über Facebooks Regeln zur Inhaltsmoderation, die Kritik an Israel zum Schweigen bringen, wächst das Misstrauen unserer Communities  gegenüber dem Unternehmen.

Facebook muss die folgenden dringenden und wesentlichen Schritte unternehmen, um das Misstrauen in unserer Communities auszuräumen und sicherstellen, dass wir auf Facebook und Instagram als freie zivile Räume und Instrumente zählen können, um Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen:

  1. Wahren Sie Ihre eigene Verpflichtung, die Menschenrechte zu respektieren und „ein Ort für Gleichheit, Sicherheit, Würde und freie Meinungsäußerung zu sein“, wie es in Ihrer Unternehmensrichtlinie zu den Menschenrechten dargelegt ist. Arbeiten Sie mit Menschenrechtsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Gruppen zusammen, um die von uns angesprochenen Bedenken unverzüglich anzugehen, und die Zensur von Palästinenser*innen auf Ihren Plattformen zu beenden
  2. Stellen Sie Transparenz darüber her, wie Facebook die Inhaltsrichtlinien anwendet, z. B. in Bezug auf Hassreden und Aufstachelung zur Gewalt, wenn es um die folgenden ethnischen und religiösen Identitäten und politischen Ideologien geht: Palästinenser*innen, Jüdinnen und Juden, Israel*innen und Zionist*innen..
  3. Evaluieren Sie die Beziehung von Facebook zur israelischen Regierung über Ministerien hinweg und beenden Sie die Verbindungen zur israelischen Cyber-Einheit, die möglicherweise die Entfernung von Inhalten anordnet, die nicht gegen Gemeinschaftsstandards verstoßen und daher zur Zensur oder zum Abschrecken politischer Äußerungen führen können.
  4. Bewahren Sie alle Daten zur Entfernung von Inhalten auf und geben Sie sie weiter. Dazu gehören unter anderem Informationen darüber, welche Takedowns nicht von Menschen überprüft wurden, ob Nutzer*innen versucht haben, gegen den Takedown Einspruch zu erheben, und von Facebook- und Instagram-Nutzer*innen gemeldete Vorfälle, auf die nicht reagiert wurde.
  5. Erlauben Sie unabhängigen Wissenschaftler*innen und Interessenvertreter*innen, blockierte oder entfernte Inhalte und alle Daten im Zusammenhang mit solchen Inhaltsentfernungen zu überprüfen, vorbehaltlich der Anforderungen in bezug auf den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz. Diese Geste des guten Willens ermöglicht eine externe Überwachung der Moderationsmechanismen durch zugelassene Wissenschaftler*innen und unabhängige Interessenvertreter*innen mit einschlägigem Fachwissen ermöglichen, um eine zusätzliche Aufsicht über die Rechtsbehelfsmechanismen und die Fairness und Effektivität der Widerspruchsmechanismen sicherzustellen, insbesondere für historisch marginalisierte Gruppen, und um das Vertrauen dieser Gruppen wiederherzustellen.

Facebook muss dringend Maßnahmen ergreifen, um seine Komplizenschaft mit der Apartheid- und ethnischen Säuberungspolitik der israelischen Regierung zu untersuchen. Wir bitten Sie dringend, auf dieses Schreiben öffentlich zu antworten und uns umgehend zu kontaktieren.

Mit freundlichen Grüßen

7amleh – The Arab Center for the Advancement of Social Media

Access Now

Action Center on Race and the Economy (ACRE)

Adalah Justice Project

ALQST for Human Rights

American Friends Service Committee

American Muslims for Palestine

BDS Berlin

BDS France

Boycott from Within (Israeli citizens for BDS)

Center for Constitutional Rights

CODEPINK

Council on American-Islamic Relations (CAIR)

Council on American-Islamic Relations (CAIR) – Chicago

docP – BDS Netherlands

Een Andere Joodse Stem, Another Jewish Voice, Belgium

Fight for the Future

For Us Not Amazon

Free Speech on Israel (UK)

Friends of Sabeel North America

ICNA Council for Social Justice

IfNotNow

Ireland-Palestine Solidarity Campaign

Jetpac Resource Center

Jewish Voice for Just Peace (Ireland)

Jewish Voice for Labour

Jewish Voice for Peace 

Jewish Network for Palestine

Jordan Open Source Association (JOSA)

Kairos

La ColectiVA

Masaar – Technology and Law Community

MediaJustice

MENA Rights Group

Mnemonic

MPower Change

National Lawyers Guild

National Students for Justice in Palestine

Palestine Legal

Palestine Solidarity Campaign

Palestinian BDS National Committee (BNC)

Ranking Digital Rights

R3D: Red en Defensa de los Derechos Digitales

South Asian Americans Leading Together (SAALT)

SMEX

Taraaz

The Palestine Institute for Public Diplomacy

United Methodists for Kairos Response (UMKR)

Uplift – A People Powered Community (Ireland)

We Are Not Numbers

Facebook, we need to talk – movement letter to facebook
Übersetzung Redaktion BDS-Kampagne.de