AufrufeOffene BriefeUrgent LetterWorld without Walls

Für eine Welt ohne Mauern – Für das Recht zu bleiben, wegzugehen und zurückzukehren

Am 18. Dezember 2021, dem Internationalen Tag der Migrant*innen, veröffentlichen wir als Bewegungen und Organisationen, die für eine Welt ohne Mauern kämpfen, unseren zweiten eindringlichen Brief, um leere Äußerungen der Besorgnis anzuprangern und ein radikales Umdenken und Handeln zu fordern.

86 Netzwerke, Bewegungen und Organisationen aus der ganzen Welt haben sich dem Aufruf bislang angeschlossen.

Wir fordern das Recht der Menschen, in Würde und Gerechtigkeit in ihren Herkunftsländern zu bleiben, wenn sie gezwungen sind, von dort wegzugehen, sich in den Aufnahmeländern frei bewegen zu können, geschützt und respektiert zu werden und dorthin zurückzukehren, von wo sie fliehen mussten.

Über DIESEN LINK kann der Brief / Aufruf unterzeichnet werden (runterscrollen bis zum Ende des Briefes / Aufrufes).

Liebe Freund*innen und Genoss*innen,

am Samstag, 18. Dezember 2021, ist der Internationale Tag der Migrant*innen. Regierungen und Institutionen auf der ganzen Welt werden bedeutungslose Erklärungen darüber abgeben, wie sehr sie sich um Migrant*innen und ihre Rechte kümmern. In vielen Grenzregionen der Welt können wir täglich sehen, wie sich diese Sorge um das Wohlergehen von Migrant*innen auswirkt: Sie werden gejagt, misshandelt, beschossen, vergewaltigt, ihrer Rechte beraubt, inhaftiert, gefoltert, abgeschoben und gezwungen, unter unmenschlichen Bedingungen zu leben, während die Covid-Pandemie noch immer wütet.

Erst kürzlich wurden wir Zeug*innen des Todes von 55 Migrant*innen bei einem LKW-Unfall in Mexiko, von 27 Migrant*innen beim Kentern eines Schlauchbootes im Ärmelkanal, von Menschen an den Grenzen Polens und Litauens zu Weißrussland und von Menschen, die auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln waren. Vermeidbare Todesfälle, die zu den Zehntausenden von Geflüchteten hinzukommen, die aufgrund der weltweiten Grenzregelungen umgekommen sind.

Dieses Jahr war geprägt von schockierenden Bildern verzweifelter Menschen an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland, von anhaltenden Gräueln in libyschen Flüchtlingsgefängnissen, von Millionen Venezolaner*innen auf der Suche nach besseren wirtschaftlichen Bedingungen und von Hunderttausenden Rohingya aus Myanmar, die gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen. Wir haben weitere Aushöhlungen der Rechte von Geflüchteten miterlebt, wie die EU illegale Push-Backs normalisiert oder Australien ein neues Gesetz verabschiedet, mit dem unerwünschte Geflüchtete auf unbestimmte Zeit eingesperrt werden können. Und wir haben den kontinuierlichen Ausbau von globalen Sicherheits- und Grenzkontrollsystems mit seinen Mauern und Zäunen, seiner Überwachungstechnologie und biometrischen Datenbanken, seinen Waffen, Hubschraubern und Drohnen, seinen Gefangenenlagern und Abschiebeflügen erlebt.

Ende letzten Jahres wurden nach Angaben des UNHCR 82,4 Millionen Menschen, mehr als 1 % der Weltbevölkerung, gewaltsam vertrieben. Über 6 Millionen von ihnen sind Palästinenser*innen – das ist mehr als die Hälfte des palästinensischen Volkes. Die meisten von ihnen wurden seit 1948 aus ihrer Heimat vertrieben und kämpfen für ihr Recht auf Rückkehr. Dies macht den Kampf der Palästinenser*innen zu einem beispielhaften Kampf der Geflüchteten für Gerechtigkeit.

Migrant*innen und Geflüchtete kämpfen für ihr Recht, in Würde und Gerechtigkeit in ihren Herkunftsländern zu bleiben, wenn sie gezwungen sind, von dort wegzugehen, sich in den Aufnahmeländern frei bewegen zu können, geschützt und respektiert zu werden und dorthin zurückzukehren, von wo sie fliehen mussten.

Nach Jahrhunderten des Kolonialismus haben die Länder des globalen Nordens ihr tödliches System des Kapitalismus der ganzen Erde aufgezwungen, den Planeten zerstört, die Menschen ihres Landes und ihrer Ressourcen beraubt, sie vertrieben und Milliarden von Menschen gezwungen, in Armut und Unsicherheit zu leben und sich für den Profit der Reichen abzuschuften. Es sind dieselben Regierungen, die durch Waffenexporte, militärische Interventionen, Zusammenarbeit mit Diktator*innen, Landraub, Klimawandel, ungleiche Handelsbeziehungen, aggressive Wirtschafts-, Außen- und Militärpolitik usw. Fluchtursachen weiter befeuern und immer mehr Menschen aus ihrer Heimat vertreiben.

Viele von ihnen bleiben in ihrem Herkunftsland oder in Nachbarländern, die oft mit eigenen Problemen zu kämpfen haben. Während nur ein kleiner Prozentsatz versucht, in die Länder des globalen Nordens zu gelangen, sind es genau diese wohlhabenden Staaten, die lautstark die Trommeln der Angst und Fremdenfeindlichkeit schlagen. Sie betrachten Menschen auf der Flucht als Bedrohung – für die nationale Sicherheit, für andere Menschen, für Arbeitsplätze.

Die Reichen schützen ihren Reichtum, indem sie Billionen in den Aufbau eines Militär- und Sicherheitsapparats stecken, um den Rest der Welt unter Kontrolle zu halten. Sie sind es, die Mauern bauen und im Zuge der Externalisierung von Grenzen andere Länder dazu drängen, die Grenzsicherung zu verstärken, um Migrant*innen so weit wie möglich von ihren eigenen Grenzen fernzuhalten.

Die europäischen Staaten haben mehr als 1000 km Mauern zur Bekämpfung der Einwanderung errichtet. Die EU bildet ihre eigene bewaffnete Grenzpolizei aus, die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex). Sie hat das Mandat von Frontex grundsätzlich erweitert, auch für Einsätze außerhalb Europas, für die Auslagerung der europäischen Grenzen bis tief nach Afrika und für die Koordinierung gemeinsamer Abschiebungen durch die EU-Mitgliedstaaten. Die Biden-Regierung hat Trumps Grenzmauer angeprangert, diese Politik aber in aller Stille durch eine ebenso zerstörerische technische Grenzmauer ersetzt. Australien gibt Milliarden von Euro für die Erneuerung seiner Grenztruppen und der Ausrüstung zur Grenzsicherung aus.

Die Militär- und Sicherheitsindustrie hat Regierungen und Grenzschutzbehörden enthusiastisch und erfolgreich dazu gebracht, sich der Sicherheit zu verschreiben. Das Ergebnis sind mehr Grenzsicherung und -kontrolle, Militarisierung der Grenzen, mehr Mauern und Zäune, Einsatz von autonomen Systemen und künstlicher Intelligenz, Sammlung von immer mehr persönlichen Daten und so weiter. Auf einem schnell wachsenden Markt verdienen Rüstungsunternehmen wie Lockheed Martin, General Dynamics, Airbus, Leonardo, Thales und Elbit Systems jedes Jahr Milliarden von Dollar damit, Menschen auf Distanz zu halten. Für viele Unternehmen bedeutet dies, dass sie zum zweiten Mal vom Elend derselben Gruppe von Menschen profitieren, da sie auch die Waffen und Technologien liefern, um Kriege, Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen am Laufen zu halten.

Seit Jahren stehen die israelische Regierung, die Streitkräfte und die Militär- und Sicherheitsindustrie an vorderster Front, wenn es um die zunehmende Ausgrenzung von Migrant*innen und die Entwicklung und Bereitstellung von Instrumenten und Technologien zu diesem Zweck auf globaler Ebene geht. Das ist kein Zufall, sondern beruht auf jahrzehntelanger Besatzung, Krieg, Ausgrenzung und Unterdrückung von Palästinenser*innen und zunehmend auch von Geflüchteten. Der Staat Israel hat ein modernes Apartheidsystem geschaffen, das sich nicht nur auf brutalen Militarismus, Mauern und Unterdrückung stützt, sondern auch auf ein ausgeklügeltes System von Sicherheitstechnologien und High-Tech-Überwachungsanlagen.

Mit Begriffen wie “kampferprobt” und “im Schlachtfeld getestet” wirbt die israelische Rüstungsindustrie für ihre Produkte, die sie erfolgreich in die ganze Welt exportiert. Drohnen von Elbit fliegen im Auftrag von Frontex Überwachungsmissionen im Mittelmeerraum. Das gleiche Unternehmen hat Wachtürme für die Grenze zwischen den USA und Mexiko geliefert. Sowohl Griechenland als auch Deutschland leasen für Grenzpatrouillen Drohnen von Israel Aerospace Industries (IAI).

Ironischerweise profitiert dasselbe System, das Menschen fernhält, auch von ihnen. Es schafft einen Markt für skrupellose Schmuggler*innennetzwerke, auf die verzweifelte Menschen zurückgreifen müssen, um militarisierte Grenzen und verstärkte Grenzkontrollen zu umgehen. Inzwischen müssen die Menschen auch immer gefährlichere Routen benutzen. Wie das Mittelmeer, wo Zehntausende von Migrant*innen ertrunken oder auf andere Weise ums Leben gekommen sind, haben sich viele Grenzgebiete in der ganzen Welt in Friedhöfe für Flüchtlinge verwandelt. Diejenigen, die es in die Aufnahmeländer schaffen, werden als Wanderarbeiter*innen mit oder ohne Aufenthaltsstatus ausgebeutet. Geld kann ungehindert um die Welt fließen, Menschen nur dann, wenn sie genug Geld haben oder für diejenigen, die es haben, nützlich sind.

Die Aussichten sind düster. Regierungen haben sich in einem einseitigen Diskurs über Verschärfung und Militarisierung verschanzt, ergreifen immer drakonischere Maßnahmen, um Menschen auf der Flucht zu stoppen, untergraben die Rechte von Migrant*innen und steigern die Gewinne von Militär- und Sicherheitsunternehmen.

Vor diesem dunklen Hintergrund müssen wir zusammenarbeiten und die Saat des Widerstands und der Hoffnung gegen dieses tödliche System und die Barrieren, die es für die Menschen schafft, wachsen lassen. Als Bewegungen, die sich in der Initiative für eine Welt ohne Mauern (World Without Walls) zusammengeschlossen haben, rufen wir alle auf, sich an Aktionen zur Unterstützung von Migrant*innen und gegen Grenzmauern zu beteiligen.

Wie jeder Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit ist auch der Kampf gegen Grenzen und Mauern ein langfristiger Kampf, der weit mehr als einen Aktionstag braucht. Wenn wir uns jedoch die Hände reichen und solidarisch unsere Kräfte bündeln, können wir die Systeme von Ausgrenzung und Apartheid besiegen und eine freiere, menschlichere und lebenswertere Welt schaffen.

Bitte hier unterzeichnen (runterscrollen bis zum Ende des Briefes/ Aufrufes)

Für eine Welt ohne Mauern  – Für das Recht zu bleiben, wegzugehen und zurückzukehren
Übersetzung Redaktion BDS-Kampagne.de

International Migrants Day – 2021 THEME: HARNESSING THE POTENTIAL OF HUMAN MOBILITY