Keine Waffenlieferungen nach Israel!
9. November 2010 in Berlin
Redebeitrag Teil 1/3
Redebeitrag Teil 2/3
Redebeitrag Teil 3/3
Der 9. November – Gedenktag für die Opfer der Novemberpogrome von 1938 – mahnt dazu, zu verhindern, dass Menschen wieder zu Opfern werden – und nicht dazu, neue Opfer zu schaffen
Diese Botschaft gegen staatliche Gewalt wird in ihr Gegenteil verkehrt, wenn am 9. November 2010 in unmittelbarer Nähe des Deutschen Bundestages in Berlin eine halboffizielle Veranstaltung stattfindet, zu der der Rüstungskonzern Dynamit Nobel Defence den israelischen Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, Yoram Ben-Zeev, einlädt. Er soll über das Thema sprechen:“ Deutschland und Israel – gute Partner für den deutschen Mittelstand“. Auch das Bundesverteidigungsministerium ist vertreten, dessen Hauptabteilungsleiter Rüstung wird ein Grußwort sprechen.
Diese Veranstaltung im Zeichen einer „Kultur“ des Tötens ist keine offizielle Gedenkveranstaltung zum 9. November. Dennoch: wenn am 9. November, dem Gedenktag für die Opfer der Pogrome von 1938, in den Räumen der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft e.V. (DPG) eine derartige Veranstaltung stattfindet, kann das schwerlich als Zufall gewertet werden: Die Veranstalter wollen offenbar ein politisches Zeichen setzen. Während üblicherweise die DPG als überparteiliche Vereinigung von Abgeordneten verschiedener Parlamente dem Meinungsaustausch über Parteigrenzen hinweg dient, übernimmt hier die Rüstungslobby die Regie – und hat bei dieser Gelegenheit ein Rendez-vous mit den Freundinnen und Freunden der politisch-militärischen Klasse Israels arrangiert.
Diese Allianz läuft allen Friedensbemühungen zuwider. Eine solche Zusammenarbeit bricht letztlich deutsches Recht, das die Lieferung von Waffen in Krisengebiete verbietet. Hinzu kommen die permanenten Verstöße aller israelischen Regierungen ebenso wie der israelischen Armee gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte. Die Produkte der israelischen Kriegs- und Rüstungsindustrie sind zum Teil an der palästinensischen Bevölkerung in den Besetzten Gebieten „getestet“ worden.
Wir fordern die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft auf, diese Veranstaltung im Zeichen von Rüstung und Krieg, im Zeichen des Tötens auch von Zivilistinnen und Zivilisten in ihren Räumen zu unterbinden.
Dynamit Nobel Defence steht übrigens in der Tradition der Dynamit AG, die als Teil der IG Farben im Zweiten Weltkrieg auch Werke in Stadtallendorf betrieb. Hier wurden über 100.000 Zwangsarbeiter „beschäftigt“, eingepfercht in Lagern, die von der SS kontrolliert wurden.
Die geplante Veranstaltung am 9. November 2010 ist ein Beispiel für die Instrumentalisierung der Nazibarbarei und ihrer Opfer durch deutsche und israelische Rüstungslobbyisten. Wer einen wirklichen Frieden auf der Grundlage gleicher Rechte für alle Menschen in Israel/Palästina will, kann sich nicht mit den Rüstungslobbys und den Strategen der Besatzung ins Benehmen setzen!
Keine Waffenlieferungen nach Israel!
Unterstützer_innen (alphabetische Reihenfolge): Stand 01.11.2010
AG Globalisierung und Krieg, ATTAC-Berlin
AK Nahost Berlin
AK Palästina Tübingen
Arbeitsgruppe Palästina (ATTAC-Hamburg)
Arbeitskreis Nahost Hagen
Antiimperialistische Koordination (AIK) Österreich.
BAOBAB-Infoladen Eine Welt e.V.
BDS-Gruppe Berlin
Bentieröder Kreis
Berliner Bündnis für Gaza
Petra Bigge, Vivat International
Cafe Palestine Freiburg
Collectif Judéo Arabe et Citoyen pour la Paix, Strasbourg Elias Davidsson, Komponist und Menschenrechtler, Bonn
Deutscher Friedensrat
Deutsch-Palästinensischer Frauenverein e.V.
Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. (DPG)
Deutsches Netzwerk EAPPI (Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel)
Deutsche Sektion Global March gegen Kinderarbeit
DIE LINKE – Basisorganisation Gesundbrunnen
DIE LINKE, Bezirksvorstand Berlin-Neukölln
DIE LINKE – Bezirksvorstand Tempelhof-Schöneberg
DIE LINKE – Landesarbeitsgemeinschaft Frieden Baden-Württemberg
Hermann Dierkes, Vorsitzender Ratsfraktion DIE LINKE Duisburg
DKP Berlin
Dr. Sabine Farrouh, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands IPPNW Deutschland
Femmes en Noir (Frauen in Schwarz), Strasbourg
FRAUEN IN SCHWARZ München und Holzkirchen
Frauennetzwerk für Frieden .e.V.
Frauen wagen Frieden- Projektgruppe der Evangelischen Frauenarbeit Pfalz
FrauenWege Nahost
Freiburger Kant-Stiftung
Dr. Peter Gerlinghoff, Sangerhausen
Paul Grasse, Ko-Kreis LAG FiP der LINKEN Berlin
Großmütter gegen den Krieg
Annette Groth (MdB) DIE LINKE
Gruppen der Berliner Friedenskoordination
Evelyn Hecht-Galinski
Victor Grossman, Berlin
Heidelberger Friedensratschlag
Tamara Helck, Düsseldorf
Inge Höger (MdB) DIE LINKE
Andrej Hunko (MdB), Fraktion DIE LINKE
Institut für Palästinakunde
Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK e.V., Sektion der War Resisters’ International, WRI)
Internationale Liga für Menschenrechte
Matthias Jochheim, stellvertretender Vorsitzender IPPNW Deutschland
Claudia Karas
Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost (EJJP Deutschland)
Dieter Lehmkuhl, Mitglied im Vorstand der IPPNW Deutschland
Mütter gegen den Krieg Berlin-Brandenburg
Nahostkomitee in der Friedenskoordination Berlin
Netzwerk Friedenssteuer
Ökumenisches Zentrum für Umwelt-, Friedens- und Eine-Welt-Arbeit,
Palästina Portal – Erhard Arendt
Palästinensische Gemeinde Deutschland (PGD)
Palästinakomitee Stuttgart
Palästina/Nahost-Initiative Heidelberg
Dr. Andrej Reder, Berlin
Ellen Rohlfs (Gush Shalom, DPG, Pax Christi)
Günter Schenk, Straßburg
Andreas Schlüter, DIE LINKE Tempelhof-Schöneberg
Laura von Wimmersperg
Salih Alexander Wolter, Berlin-Schöneberg
V.i.S.d.P.: Sophia Deeg
Redebeitrag von Sophia Deeg zum Protest gegen das Zusammentreffen in der „Parlamentarische Gesellschaft“
Liebe zu Recht Protestierende,
Bei der Parole auf unserem Transparent haben wir uns gegen die traditionsreiche Parole „Nie wieder Krieg!“ entschieden, weil sie suggeriert, Krieg und Aufhetzung zum Krieg und kriegerische Besatzungsregimes lägen hinter uns. Doch das „Nie wieder!“dient inzwischen sogar – wie viele andere ursprünglich richtige Aussagen – dazu, heutige Kriege, heutigen Rassismus und heutige Verfolgungen zu rechtfertigen, so wenn ausgerechnet am internationalen Holocaustgedenktag, dem 27.1.10, ein israelischer Ministerpräsident im Bundestag unter dem Motto „Nie wieder!“ die kriegerische Politik Israels ideologisch verbrämt.
Shimon Peres sagte am 27.1.10 im Deutschen Bundestag, nie wieder dürfe es eine Rassenlehre, eine Berechtigung zur Hetze, zum Totschlag geben: „Um eine zweite Shoa zu verhindern, ist es an uns, unsere Kinder zu lehren, Menschenleben zu achten und Frieden mit anderen Ländern zu wahren. Die junge Generation muss lernen, jede einzelne Kultur, und die universellen Werte zu respektieren.“ Die bedeutendste aller Lehren sei: „Nie wieder“. – Das sagte, wie zum Hohn, einer der politisch Verantwortlichen ein Jahr nach dem mörderischen Überfall auf Gaza und während seine Regierung an der anhaltenden, menschenverachtenden Belagerung und die Apartheidspolitik gegenüber den Palästinenserinnen und Palästinensern festhielt.
Deshalb steht heute, am Gedenktag für die Novemberprogrome von 1938 auf unserem Transpi:
„Schluss mit Krieg und Besatzung“, denn wir sind mitten drin und nicht in der Lage eines Neuanfangs:
Deutschland ist militärisch, politisch-diplomatisch, wirtschaftlich und kulturell intensiv beteiligt an Kriegen und der Aufhetzung und ideologischen Vorbereitung dazu und an blutigen Besatzungsregimes, überall auf der Welt. Besonders augenfällig – direkt oder indirekt – in Afghanistan, im Irak und in Palästina.
Deutschland ist beteiligt an mörderischen Feldzügen gegen die Bevölkerungen im Nahen Osten, die mit allen Mitteln daran gehindert werden, in den Genuss ihrer Rechte, ihrer Ressourcen und Reichtümer zu kommen.
Heute, am Tag des Gedenkens an die Opfer der Reichspogromnacht sagen wir an dieser Stelle daher auch:
Keine Waffenbrüderschaft Deutschland-Israel
Denn ausgerechnet heute und in einem semi-offiziellen Kontext wird diese Waffenbrüderschaft hier nebenan in der honorigen Parlamentarischen Gesellschaft zelebriert – warum eigentlich nicht im Adlon oder an einem anderen neutralen Ort?
Nein, ausgerechnet heute und ausgerechnet hier bescheinigen sie sich gegenseitig, wie einig sie sich sind:
der Rüstungskonzern Dynamit Nobel Defence, der israelische Botschafter Yoram Ben Zeev und Vertreter des deutschen Mittelstandes kommen zu einem Plausch zusammen, garniert durch ein Grußwort des Hauptabteilungsleiters Rüstung im Bundesverteidigungsministerium.
Ausgerechnet heute tummelt sich hier in der Nähe des deutschen Parlaments und quasi unter seiner Schirmherrschaft dieser Konzern Dynamit Nobel mit seiner finsteren Geschichte, ein Konzern, in dessen Fertigungsstätten sich Roma, Sinti, jüdische Menschen und andere Verfolgte der Nazibarbarei zu Tode schuften mussten; ein Konzern, der statt für diese Verbrechen Verantwortung zu übernehmen, weiterhin das Rüstungsgeschäft, das einträgliche Geschäft des Tötens betreibt.
Nun ist die Kooperation zwischen Deutschland und Israel gerade in diesem Bereich besonders eng und das Normalste von der Welt, ganz entspannt, wie die heutige Veranstaltung und vor ein paar Tagen das Konzert der IOF (Israelische Besatzungsarmee) im Haus des Rundfunks wieder mal zeigen:
Der deutsche Mittelstand, allgemein die deutsche Wirtschaft profitiert, das israelische Militär profitiert ebenso wie die Bundeswehr, die israelische und die deutsche Politik profitieren. Die Interessen sind so eng verschmolzen, dass sie schon kaum noch voneinander zu unterscheiden sind:
Da ist das Interesse des offiziellen Deutschland an „Entschuldung“, Entlastung von der Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit, damit man gemeinsam die Verbrechen von heute ungestört betreiben und kommende planen kann.
Was eignet sich besser als das viel beschworene besondere Verhältnis zu Israel, des selbsterklärten Sachwalters der Opfer und des Gedenkens?
Was entspricht besser den Interessen Israels und dessen „Entschuldung“ bei heutigen Verbrechen als der Schulterschluss mit dem so moralischen geadelten Deutschland, das in vorbildlicher Weise die Konsequenzen aus seiner Geschichte zieht, indem es bedingungslos solidarisch an Israels Seite steht? An der Seite eines Staates, der täglich Menschenrechte bricht und internationales Recht zu ignorieren zur ultima Ratio seiner Politik gemacht hat.
Das schon ziemlich betagte Antikriegslied von Bob Dylan benennt es treffend:
„Als der zweite Weltkrieg zu Ende war, vergaben wir den Deutschen, und wir wurden Freunde. Obwohl sie 6 Millionen getötet haben, in den Öfen verbrannten, haben auch die Deutschen jetzt Gott auf ihrer Seite.“
(Sophia Deeg am 09/11/2010 in Berlin)
Bilder der Kundgebung am 9. November 2010