DesinvestitionenOffene Briefe

Offener Brief: Die Firmengruppe Max Bögl beteiligt sich an Verletzungen der IV. Genfer Konvention

Schnellbahnprojekt A1 Tel Aviv – Jerusalem

 

Offener Brief an die Verantwortlichen des Unternehmens ( u.a. Gesellschafter, Mitglieder des Aufsichtsrates und des Vorstandes)

 

BDS Berlin als Teil einer völkerrechtsbasierten weltweiten Kampagne zur Durchsetzung der Rechte der palästinensischen Bevölkerung hatte sich im April 2015 mit einem Schreiben an Sie gewandt, weil Sie sich an einem Teilprojekt der sich im Bau befindlichen israelischen Hochgeschwindigkeitsstrecke A1 von Tel Aviv nach Jerusalem beteiligen. Leider haben wir von Ihnen keinerlei Rückmeldung erhalten.

Wir müssen davon ausgehen, dass Sie unser Schreiben ignorieren und sehen uns daher veranlasst, mit unserem Anliegen in einem offenen Brief an die Öffentlichkeit zu gehen.

Mit Ihrer Beteiligung an der Planung und dem Bau des Streckenabschnitts der A1 beteiligen Sie sich an einem illegalen Infrastrukturprojekt und machen sich zu Komplizen einer Praxis, die internationales Recht verletzt. Der Bau der Eisenbahnstrecke, die die Waffenstillstandslinie von 1967 überquert und teilweise ausserhalb der Grünen Linie auf palästinensischem Gebiet zu liegen kommt, ist nach internationalem Recht illegal. Eine Besatzungsmacht darf nach dem Völkerrecht die Ressourcen des besetzten Gebietes nicht zum ausschliesslichen Wohl seiner eignen BürgerInnen nutzen. Die A1 ist jedoch für die alleinige Nutzung durch israelische BürgerInnen vorgesehen. Die PalästinenserInnen, über deren Land die Strecke führt, sind von der Benutzung der A1 ausgeschlossen. Mit dem Bau permanenter Infrastruktur unter israelischer Kontrolle in den besetzten palästinensischen Gebieten wird völkerrechtswidrig ein Zustand geschaffen, der einer faktischen Annexion entspricht. Die Besiedlung besetzter Gebiete wird durch die Vierte Genfer Konvention untersagt.

Der Verweis auf die völkerrechtliche Problematik um den Bau der Schnellbahnstrecke Tel Aviv – Jerusalem ist nicht neu.

Bereits im Oktober 2010 hat die israelische Organisation who profits in ihrem Bericht Crossing the Line: The Tel Aviv – Jerusalem Fast Train auf diese Problematik hingewiesen.

Angesichts des Engagements des Tochterunternehmens der Deutschen Bahn DB International bei der Elektrifizierung dieser Schnellbahnstrecke richteten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Inge Höger und Heike Hänsel im November / Dezember 2010 entsprechende Anfragen an die Bundesregierung.

Der Deutsche Koordinationskreis Palästina Israel | Für ein Ende der Besatzung und einen gerechten Frieden (KoPI) forderte die Bundesregierung im Dezember 2010 in einem offenen Brief auf, sich aus dem Bahnprojekt mit der Staatlichen Israelischen Eisenbahn durch palästinensisches Gebiet zurück zu ziehen und die geplanten Investitionen unverzüglich zu stoppen.

Im März 2011 bestätigte das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der Bundestagsabgeordneten Inge Höger (Die LINKE), “dass es sich bei dem Projekt der israelischen Staatsbahn durch von Israel besetztes Gebiet um ein außenpolitisch problematisches und potentiell völkerrechtswidriges Vorhaben handelt, bei dem Statusfragen berührt sind. Die von der Bundesregierung und der EU vertretene Position, dass zwischen dem Territorium des Staates Israel einerseits und den seit 1967 besetzten Gebieten unterschieden wird, wurde dargelegt… Zwischenzeitlich hat die Geschäftsführung der DB International GmbH auch schriftlich bestätigt, dass es bei diesem politisch sehr sensiblen Projekt keine weiteren Aktivitäten der DB International als Tochter der Deutschen Bahn AG geben wird”.

Die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der UNO, die durch den UN-Menschenrechtsrat verabschiedet wurden und von der EU und der Bundesrepublik Deutschland unterstützt werden, verlangen, dass international tätige Unternehmen Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten respektieren und eine entsprechende Sorgfaltspflicht walten lassen. Die Unternehmen sind aufgefordert, angemessene Massnahmen zu ergreifen, um nachteilige menschenrechtliche Auswirkungen zu verhindern.

Der UN-Menschenrechtsrat hat im März 2013 den Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission des UN-Menschrechtsrats zu den Auswirkungen der israelischen Siedlungen auf palästinensische Menschenrechte angenommen. Der Bericht fordert private Unternehmen dringend auf, die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf die Menschenrechte der PalästinenserInnen zu beachten und in Übereinstimmung mit internationalem Recht und den UN-Leitprinzipen für Wirtschaft und Menschenrechte nötige Schritte zu ergreifen, um negative Folgen zu verhindern. Dies beinhaltet auch die Beendigung einer Beteiligung an Siedlungsprojekten jeglicher Art.

Kommunal Landspensjonskasse (KLP), Norwegens größte Lebensversicherungsgesellschaft, hat mit Wirkung vom 1. Juni 2015 HeidelbergCement von seinen Anlagenportfolios ausgeschlossen. In einem 8-seitigen Bericht legt KLP dar, dass nach ihrer Einschätzung HeidelbergCement durch Tätigkeiten in der besetzten Westbank grundlegende ethische Normen verletzt.

Zahlreiche europäische Staaten, so auch die Bundesrepublik warnen Unternehmen mittlerweile vor wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken sowie einem drohenden Rufverlust in Zusammenhang mit geschäftlichen Verbindungen zu illegalen israelischen Siedlungen.

Wir möchten Sie auf rechtliche und wirtschaftliche Folgen einer Beteiligung der Firmengruppe Max Bögl am Bau der Schnellbahnstrecke Tel Aviv – Jerusalem und insbesondere auf die damit verbundenen negativen Reputationsfolgen aufmerksam machen.

Der Beschluss der Firmengruppe Max Bögl, sich an dem Teilprojekt zum Bau der A1 zu beteiligen, scheint all dies zu ignorieren und kommt einer politischen Entscheidung gleich, sich an der illegalen Praxis Israels in den besetzten Gebieten zu beteiligen und Völkerrechtsverletzungen sowie die Unterdrückung von Rechten der palästinensischen Zivilbevölkerung durch den Staat Israel mitzutragen.

Ihr Unternehmen würde sich damit zu einem legitimen Ziel für eine breitangelegte Boykott- und Desinvestitionskampagne bzw. entsprechender Proteste machen, mit der Ihre Beteiligung an einem nach Völkerrecht illegalen Projekt öffentlich gemacht und sanktioniert würde. Sie riskieren wirtschaftliche Verluste ähnlich denjenigen, die das französische Unternehmen Veolia aufgrund seiner Beteiligung an Siedlungsprojekten oder das britische Sicherheitsunternehmen G4S aufgrund der Unterstützung illegaler Praktiken der Besatzung hinnehmen mussten.

Die weltweite BDS-Bewegung hat in den letzten Jahren israelische und internationale Unternehmen wie SodaStream, G4S, Ahava, Mekorot, Elbit, Veolia, Caterpillar und israelische Banken, die an der Besatzung, am Siedlungsbau und anderen Völkerrechtsverletzungen durch Israel beteiligt sind, erfolgreich kritisiert. Der Imageschaden durch die Offenlegung der Beteiligung an illegalen Praktiken und die daraus resultierenden wirtschaftlichen und finanziellen Verluste, haben diese Unternehmen zum Teil dazu bewogen, ihre illegalen Praktiken zu überdenken. Zahlreiche Banken, Versicherungen, Kirchen und andere Institutionen haben zudem ihre Anteile an den genannten Unternehmen zurückgezogen.

Die Unterzeichnenden fordern Sie dringend auf, Ihre Beteiligung an der Planung und dem Bau der A1 zu überdenken und aus diesem völkerrechtswidrigen Projekt auszusteigen.
Für Nachfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung: kontakt@bdsberlin.org

Unterzeichnet von (Stand 24. Juni 2015):

  • AG Palästina-Israel der Attac Hamburg
  • AK Nahost Berlin
  • AKtion Gerechter Frieden Nahost
  • Arbeiterfotografie, Bundesverband
  • BDS Austria
  • BDS Berlin
  • BDS-Gruppe Bonn
  • BDS Italia
  • BDS Schweiz
  • Boycott! Supporting the Palestinian BDS Call from Within (Israeli citizens for BDS)
  • Coalizione italiana “Stop That Train” – Koalition “Stop That Train”, Italien
  • Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. (DPG)
  • DocP | Stichting Diensten en Onderzoek Centrum Palestina, Niederlande
  • Frauen in Schwarz (Wien)
  • Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen(GÖAB)
  • ICAHD Deutschland (Israeli Committee Against House Demolitions)
  • Iniciativa Ne naším jménem! – Za spravedlivý mír na Blízkém východě, ČR – Initiative Nicht in unserem Namen! – Für einen gerechten Frieden im Nahen Osten, Tschechien
  • Iniciatíva za spravodlivý mier na Blízkom východe – Initiative für einen gerechten Frieden im Nahen Osten, Slowakei
  • Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München
  • Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.
  • Kampania Palestyna – Palästina-Solidaritätskampagne, Polen
  • Mezinárodní hnutí solidarity ČR (ISM ČR) – International Solidarity Movement (ISM), Tschechien
  • Palästinakomitee Stuttgart
  • Palestinský klub v ČR – Palästinensischer Club in Tschechien
  • Přátelé Palestiny, ČR – Freunde Palästinas, Tschechien

English version:
The Max Boegl Group is involved in violations of the Fourth Geneva Convention

Links:

Foto: Crossing the Line: The Tel Aviv – Jerusalem Fast Train