Offener Brief an die Akademie der Weltreligionen (AWR) / Universität Hamburg und die Grüne-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft
Sehr geehrter Herr Professor Weiße,
sehr geehrte stellvertretende Direktor*innen der AWR,
sehr geehrte Mitglieder des AWR-Beirates,
sehr geehrte Mitglieder des International Advisory Board,
sehr geehrte Fraktionsmitglieder der Grünen in der Hamburger Bürgerschaft,
mit Bedauern haben wir – Mitglieder und Sympathisierende der BDS-Bewegung in Deutschland – die Absage der von Ihnen gemeinsam mit der Grünen-Fraktion Hamburg angekündigten öffentlichen Veranstaltung mit Prof. Dr. Farid Esack zum Thema „Wem erlaube ich, im Zug neben mir zu sitzen? Religionsfreiheit in einer Zeit des Terrors“ zur Kenntnis genommen. Aus organisatorischen Gründen ließen Sie verlauten und versprachen dabei gleichzeitig – zumindest ist dies auf der fb-Seite der “Antideutschen Aktion Hamburg” in einen Eintrag vom 24. Januar um 12:16 so nachzulesen[1] – eine deutsche Übersetzung der Rede von Professor Esack in den nächsten Tagen auf Ihre Homepage zu setzen.
Nahezu zeitgleich mit Ihrer Absage wurden in den Medien und online-Portalen Vorwürfe gegen die AWR und die Uni HH wegen der Gastprofessur von Farid Esack erhoben: Farid Esack, einer der renommiertesten islamischen Denker unserer Zeit, ist auch Vorsitzender von BDS South Africa. BDS South Africa ist in der weltweiten BDS-Bewegung verankert, die den Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft aus dem Jahre 2005 zu Boykott, Investitionsentzug und Sanktionen gegen Israel unterstützt, bis Israel internationalem Recht und den universellen Prinzipien der Menschenrechte nachkommt. [2]
Auffallend die Ignoranz, die hinsichtlich dieses Aufrufs hierzulande offensichtlich wird! Auffallend das schlechte Gedächtnis der politisch Verantwortlichen hierzulande, die internationale Vereinbarungen, UN-Resolutionen usw. ignorieren und sich aus ihrer Mit-Verantwortung für den Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft zu BDS gegen Israel schleichen!
Zum besseren Verständnis hierzu sei auf den ersten Absatz des Aufrufs der palästinensischen Zivilgesellschaft zu BDS von 2005 verwiesen:
” 9. Juli 2005 Ein Jahr nach dem historischen Gutachten des Internationalen Gerichtshof
(IGH), welches den israelischen Mauerbau in den besetzten palästinensischen
Gebieten für illegal befunden hatte, setzt Israel den Bau der Mauer, entgegen
der Entscheidung des IGH, fort. Achtunddreißig Jahre [2017 demzufolge 50 Jahre]
also nachdem Israel die Westbank (inklusive Ost-Jerusalem), den Gaza Streifen und
die syrischen Golanhöhen besetzt hat, wird der Ausbau von jüdischen Siedlungen vorangetrieben. Israel hat einseitig das besetzte Ost-Jerusalem und die Golanhöhen
annektiert, und annektiert nun, durch den Mauerbau, de facto auch große Teile der
Westbank…” [3]
In der aus dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) [4] über die Rechtsfolgen des Baus einer Mauer in dem besetzten palästinensischen Gebiet, einschließlich in Ost-Jerusalem und seiner Umgebung resultierenden Resolution der UN Generalversammlung A/RES/ES-10/15 – 20. Juli 2004 / 02. August 2004[5] (auf Deutsch [6]) heißt es unter D.: Alle Staaten sind verpflichtet, die rechtswidrige Situation nicht anzuerkennen, die sich aus dem Bau der Mauer ergibt, und Hilfsmaßnahmen, die zur Aufrechterhaltung der durch den Bau der Mauer geschaffenen Lage beitragen, zu unterlassen; alle Parteien des IV. Genfer Abkommens vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten sind darüber hinaus verpflichtet, unter Achtung der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts sicherzustellen, dass Israel das in diesem Abkommen niedergelegte humanitäre Völkerrecht einhält;
Sind die damalige rot-grüne Bundesregierung, die bei der Abstimmung zugunsten der A/RES/ES-10/15 gestimmt hat [7] und alle weiteren Bundesregierungen ihren Verpflichtungen, die ihnen aus der Resolution A/RES/ES-10/15 erwachsen sind, nachgekommen?
Wirft man einen Blick auf die Resolution 2234 des UN-Sicherheitsrates[8] vom Dezember 2016 – also 12 Jahre später – so wird deutlich, dass weder die Bundesrepublik Deutschland noch andere Staaten in der Lage oder willens zu sein scheinen, ihren Verpflichtungen gemäß internationalem Recht nachzukommen, wenn es um Israel geht! Das ist der Ausgangspunkt für die BDS-Kampagne – das Versagen der internationalen Staatengemeinschaft, ihren Verpflichtungen für die Rechte der Palästinenser*innen nachzukommen!
Wer es sich einfach machen möchte, ignoriert dies und vertraut auf das Urteilsvermögeneiniger weniger Personen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, jede Kritik an der Politik israelischer Regierungen zu delegitimieren und mit Antisemitismus gleichzusetzen – Ende der Diskussion.
Dem stehen mehr als 300 Menschenrechts- und Hilfsorganisationen, kirchliche Gruppen,Gewerkschaften und politischen Parteien aus ganz Europa entgegen [9], die die EU im Mai 2016 dazu aufgefordert haben, ihre gesetzlichen Verpflichtungen aufrechtzuerhalten und Israel für seine Verletzungen des internationalen Rechts zur Rechenschaft zu ziehen und das Recht von Individuen und Institutionen zu verteidigen, die sich an der palästinensisch geführten Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit beteiligen. [10] Dem stehen Organisationen und Bündnisse wie die Jewish Voice for Peace (USA)[11] oder die US Campaign for Palestinian Rights[12] – um nur einige zu nennen – entgegen.
Frederica Mogherini, Hohe Vertreterin der EU, hat im Namen der Europäischen Kommission das Recht auf BDS bestätigt! [13] Sie hat darüber hinaus auf die Frage nach der Einschätzung der EU-Kommission zu den Aussagen des israelischen Geheimdienstministers Yisrael Katz, dass mit „gezielten zivilen Eliminierungen“ gegen palästinensische und internationale „Führer*innen“ der BDS-Bewegung vorgegangen werden sollte, geantwortet, dass „die EU Drohungen und Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger_innen unter allen Umständen und entschieden verurteilt“ [14] – ungeachtet der Tatsache, dass die EU gegen jeden Boykott Israels ist.
Wir fordern die Akademie der Weltreligionen an der Uni HH und die Grüne-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft nicht auf, die internationale BDS-Kampagne zu unterstützen.
Wir rufen Sie lediglich dazu auf, den Diffamierungen gegen die Kampagne nicht auf den Leim zu gehen und stattdessen eine Diskussion darüber zu beginnen, warum die palästinensische Zivilgesellschaft 2005 zu Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegenüber Israel aufgerufen hat.
Gerne verweisen wir Sie in diesem Zusammenhang auf die Erklärung von 200 Rechtsgelehrten gegen Massnahmen, die von einigen Regierungen ergriffen wurden, um die BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) für Menschenrechte der Palästinenser*innen zu ächten.[15]
Weitere Information finden Sie hier:
www.bdsmovement.net
boycottisrael.info
www.bds-kampagne.de
Für Nachfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung – bdskampagne.hamburg@gmail.com
Hamburg, den 13.2.2017
Unterzeichnet von:
BDS Hamburg
BDS Berlin
BDS-Gruppe Bonn
BDS Wiesbaden
BDS Initiative Oldenburg
Café Palestine Freiburg e.V.
Deutsch Palästinensische Gesellschaft e.V.
Deutsch Palästinensische Gesellschaft – Regionalgruppe Bonn
Deutsch Palästinensische Gesellschaft – Regionalgruppe Nord-Hamburg
Deutsch-Palästinensischer Frauenverein e.V., Hamburg
Institut für Palästinakunde e.V., Bonn
Landesarbeitsgemeinschaft Gerechter Frieden in Nahost /DIE LINKE. Niedersachsen
Palästinakomitee Stuttgart e.V.
Palästina/Nahost-Initiative Heidelberg
Palästina Solidarität – Ilmenau
Aktionsbündnis für einen gerechten Frieden in Palästina
Harald Bock, Generalsekretär der Deutsch-Arabischen-Gesellschaft
Dagmar Quentin, NIJMAH* e.V., Berlin/Ramallah
Erhard Arendt, Das Palästina Portal
Prof. Dr. Ulrich Duchrow, Uni Heidelberg
Prof. Dr. Jan Hildebrandt, Universitätsmedizin Göttingen
Prof. Dr. Norman Paech
Peter Bautsch
Gottfried Brandstäter, Pastor i. R.
Hermann Dierkes, ehem. Ratsmitglied der Stadt Duisburg/Stadtältester
Evelyn Hecht-Galinski
Norbert Jost, Berlin
Angela Krause, München
Klaus Maßmann, Lotte
Ursula Mathern, Merxheim
Muriel Mirak-Weißbach Schriftstellerin, Mainz-Kastel
Gertrud Nehls
Uli Nitschke
Monika Reger
Christoph Rinneberg
Gisela Siebourg
Siegfried Ullmann, Alfter
BDS Austria
BDS Schweiz
Verweise:
[1] https://www.facebook.com/AntiDAHH/ – Eintrag vom 24. Januar um 12:16, abgerufen am 06.02.2017
[2] http://bds-kampagne.de/aufruf/aufruf-der-palstinensischen-zivilgesellschaft/ , abgerufen am 06.02.2017
[3] ebenda, abgerufen am 06.02.2017
[4] http://www.icj-cij.org/docket/files/131/1677.pdf, abgerufen am 06.02.2017
[5] https://unispal.un.org/DPA/DPR/unispal.nsf/5ba47a5c6cef541b802563e000493b8c/f3b95e, abgerufen am 06.02.2017
[6] http://www.un.org/depts/german/gv-notsondert/ar-es10-15.pdf , abgerufen am 06.02.2017
[7] http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/ES-10/PV.27 , abgerufen am 06.02.2017
[8] http://www.un.org/depts/german/sr/sr_16/sr2334.pdf , abgerufen am 06.02.2017
[9] https://bdsmovement.net/ , abgerufen am 06.02.2017
[10] http://bds-kampagne.de/2016/05/18/352-europaeische-menschenrechtsorganisationen-kirchliche-gruppen-gewerkschaften-und-politischen-parteien-fordern-die-eu-auf-ihr-recht-auf-bds-zu-unterstuetzen/ , abgerufen am 06.02.2017
[11] https://jewishvoiceforpeace.org/boycott-divestment-and-sanctions/jvp-supports-the-bds-movement/ , abgerufen am 06.02.2017
[12] http://uscpr.org/about-us/ , abgerufen am 06.02.2017
[13] http://bds-kampagne.de/2016/10/28/hohe-vertreterin-der-eu-frederica-mogherini-bestaetigt-das-recht-auf-bds/ , abgerufen am 06.02.2017
[14] http://www.europarl.europa.eu/sides/getAllAnswers.do?reference=E-2016-005122&language=EN#def1 , abgerufen am 06.02.2017
[15] http://bds-kampagne.de/2016/12/08/erklaerung-von-rechtsgelehrten-fuer-das-recht-auf-bds/ , abgerufen am 06.02.2017
Informationen und Stellungnahmen – Farid Esack in Deutschland 2016 / 2017